welcome to reality

17
Jun
2009

Privatimpressionen aus Karlsruhe

ich bin am vorletzten freitag, dem fünften juni, eher zufällig in die demonstration gestolpert, habe mir das grauen am rathausplatz kurz aus sicherer entfernung angeschaut und bin dann schwer enttäuscht auf einen frust-frappuccino zu starbucks geschlendert.

zunächst etwas ganz prinzipielles: ich finde es wirklich löblich, dass sich gamer so spontan zusammenschließen, ihren angeblich ach so faulen und politikuninteressierten arsch hochbekommen und für ihr hobby eintreten. ich finde es unumwunden toll, dass man sich zumindest noch bei berührung der eigeninteressen zu einem statement aufrafft und für eine sache eintritt. kurz: die intention der gesamten veranstaltung deckt sich durchaus mit meiner eigenen position und ich fand es toll, dass sich so viele leute angeschlossen und beteiligt haben. und ja: als ich im video die tetrismelodie hörte, hab ich gestrahlt wie ein honigkuchenpferd - das war als aktion wirklich witzig, durchdacht und clever. ausserdem ist es natürlich der absolut korrekte schritt, in so einer situation gesicht zu zeigen und dem phantom egoshooterspieler ein gesicht zu geben, um zu demonstrieren: ich spiele und bin auch ansonsten ganz normal.

und ab jetzt wirds weniger positiv.

vollkommen zurecht erregen sich die gamergemüter über das springerpresse-niveau der berichterstattenden medien, klagen über mangelnde objektivität und die unkenntnis der ewig die apokalypse herbei beschwörenden üblichen verdächtigen wie dem kriminologischen forschungsinstitut niedersachsen. ihr habt es satt, als amokläufer vorverurteilt zu werden und werbt um akzeptanz und toleranz eures hobbys (das auch das meinige ist). dann stelle ich doch mal ganz ketzerisch die frage: habt ihr wirklich keine besseren argumente und keine bessere strategie, als mit dümmlichen parolen a la "ich bin kein amokläufer" und "ich wähle keine spielekiller" durch die gegend zu ziehen?!?

ihr bedient euch der nomenklatur derjenigen, über die ihr euch vollkommen zurecht erregt und beschwert. ihr stellt euch allen ernstes in die öffentlichkeit und arbeitet euch auf pseudowitzige art und weise an den slogans und schlagwörtern der gegenpartei ab - das nenne ich mal ein dickes fettes eigentor.

auch argumentativ kam leider nicht besonders viel sinnhaftiges und es stellt sich die frage, wer oder was durch diese veranstaltung aufgeklärt oder zum sprichwörtlichen a-ha gebracht werden sollte. ich für meinen teil fühle mich durch solche veranstaltungen nicht repräsentiert und habe mich eher ein bisschen geschämt, auf welche art und weise hier "demonstriert" wurde.

medien, aufgebrachte elternverbände und politiker in zeiten des wahlkampfes plappern noch unterhalb des stammtischniveaus über desensibiliserung, übertragungshandlungen und den kriegsschauplatz computer - zensur(sula) hilf! am letzten freitag hatte man aber ehrlich gesagt nicht das gefühl, als fiele der gegenpartei viel mehr ein, als auf dem gleichen, erbärmlichen niveau zurückzukreischen. solche verhaltensweisen mögen beim adoleszenten publikum gut ankommen, in dem alter fühlt man sich ja gerne ein bisschen wie ein bürgerschreck und trägt stolz als inkarniertes böses seine ich-bin-killerspieler-shirts. und trotzdem erinnerte das ganze ein bisschen an die zwei alten herren bei der muppetshow (ok, die sind witziger): der eine geifert: amokläufer! und dem anderen fällt nix besseres ein als: gar nicht wahr! selber!

da quatschen irgendwelche nasen in medialem bild und ton über die amokläufer, die durch spiele herangezüchtet werden und dass das ja immer so höfliche, unauffällige jugendliche seien. und dann entblödet ihr euch nicht, euch auf den marktplatz zu stellen und zu sagen, ihr seid ja gar keine amokläufer? funktioniert eure argumentation wirklich nur so reaktiv? habt ihr keine besseren argumente als diejenigen, dass ihr doch auch normal geblieben seid?

beide seiten argumentieren hier aufgrund von singuläre fällen und bemühen sich kein stück, den blick mal über den tellerrand zu heben. wenn die achtung-killer-fraktion aufgrund von einzelfällen allgemeine verbotsregeln formuliert - wie zum henker könnt ihr dann aufgrund anderslautender einzelfälle (aber ich bin doch auch kein amokläufer geworden....und ja: eure privaten erfahrungen sind genauso subjektiv und irrelevant wie die, der anderen. benutzt wird, was der eigenen argumentation nützt) das gegenteil behaupten?!? warum rechtfertigt ihr euch auf dieser banalen ebene? fallen euch denn ausser "ich bin auch kein amokläufer geworden" wirklich keine besseren argumente ein? denn mal unter uns gebetsschwestern: argumente hat bisher weder die gegenseite geliefert, noch macht ihr euch selbst die mühe. momentan tröten beide seiten nur vor sich hin und beide seiten sind total ratlos, warum die andere seite denn nicht kapieren will, das sie falsch liegt...

packt das nächste mal neben schicken roten t-shirts doch auch zwei, drei wirklich gute argumente und positive aspekte des spielens ein - und gackert nicht nur über die verbohrtheit der anderen, dann bin ich gern beim nächsten mal mit dabei.

19
Aug
2008

Lass` mal treffen

früher oder später fragt man sich eben nicht nur, wie dieser ausgesprochen sympathische zwergenjäger oder der entzückend ruhige draeneikrieger aussieht, sondern man will eben auch mal gucken:

"ach, du bist nächstes wochenende in x?"
"hm....."
"fein, dann lass uns doch mal kaffeetrinken, rauchen und ein treffen verabreden?"
"huch...."

pro-treffen: 1. neinsagen ist irgendwie maximal uncool und vermittelt dem gegenüber, dass man die resolute priesterin nur bildschirmseitig ist und ansonsten wie eine kiste kröten aussieht - was natürlich nicht der fall ist. 2. neugier - behind the looking glass.... 3. absagen geht nicht und ist ein bisschen, wie in seinem geburtsort sein und seine eltern nicht treffen - man verbringt ganze nächte beim angeln oder in ssc und kann dann eben nur schwer neinsagen, ohne nicht als soziallegastheniker zu gelten

contra-treffen: 1. freakshow - es kann immer alles noch fieser werden, als man sichs vorstellt. 2. wie geht man bitteschön damit um, wenn sich beide seiten vollständig unsympathisch sind und 3. wie zieht man sich elegant aus einer unangenehmen situation? wie lange muss ich mit den freaks (siehe 1.) beim kaffee sitzenbleiben? 4. wie direkt darf man sagen: hui, du bist aber eine pfeife? 5. was, wenn das gegenüber die ganze zeit nur über die beste resto-skillung und irgendeinen langersehnten drop reden möchte?

was zieht man eigentlich zu einem treffen an? ist das schon ein date, oder fühlt sichs nur so an, weil man küsschen-emotes quer durch eisenschmiede geworfen hat? a propos küsschen: klassisch links und recht oder toughes händeschütteln? bitchiges aufbrezeln oder lieber etwas tieferstapeln und sich ganz manderlay-untypisch in jeans und tee werfen? nennt man sich beim kose-ingame-namen oder gewöhnt man sich lieber schnell an den ungewohnten real-namen? strategisch das gespräch forsch in die hand nehmen oder entspannt einfach mal gucken? mist.....

samstag morgen, eine halbe stunde vorm vereinbarten treffen aus dem bett hochschrecken (nur noch einmal ganz kurz die augen schliessen...), in die dusche stürzen, mit halbnassen haaren gleichzeitig kontaktlinsen in müde augen fummeln, lidstrich ziehen und mit nur einem high heel quer durchs hotelzimmer hoppeln... verdammt, den rock hätte ich mal gestern abend bügeln sollen, und sind die 12 cm jimmy-choo-stiefel nicht komplett overdressed? passt das lacktäschchen eigentlich zum schwarzen flattershirt, wo ist mein verdammtes handy und: ruf ich jetzt schon an, um verspätung anzukündigen? komm schon, fahrstuhl und warum dauert das bitteschön so lange, bis in dieser verdammten stadt ein verdammtes taxi um die ecke gebogen kommt?

(taxifahrer genervt, fahrtziel liegt tatsächlich 300 m luftlinie vom hotel entfernt, zum glück sind die ampeln fies geschaltet und es wird doch noch eine 7 euro-fahrt, in 4 minuten fahrtzeit entfaltet sich ein taxifahrerleben, ach, sie waren mit ihrer frau in meiner heimtstadt auf hochzeitsreise? handyvibration, c. am telefon, er wartet dann draussen - mist, der rock ist zum aussteigen aus dem taxi eigentlich zu kurz....)

oh, ein surfertyp - sehr blond, sehr verstrubbelt, sehr durchtrainiert, sehr sportlich - der muss mich ja für die personifizierte vogue-zicke halten. also, weiter im text: küsschen links, küsschen rechts, strahlend lächeln und jetzt bitte schnell auf die terasse, ich muss dringend rauchen und mich an einer kaffeetasse festhalten. (bloss nicht auf den doofen alternatives-hip-frühstücks-café-holzdielen stolpern oder mit dem absatz steckenbleiben, uiuiui, wirklich ausgesprochen durchtrainiert, der herr maintank..)

niedlich ist er, ein wenig müde noch, die stimme klingt ziemlich ts-ig und in den dialekt hatte ich mich ja schon aus nostalgischen heimatgründen ein wenig verliebt. oh, ist da jemand nervös und warum rauchen wir eigentlich f6 kette und sprechen schon nach einer viertelstunde über seine exfreundin und sein fahrrad?

es fehlt noch jemand, der eilig mit einem proppevollen rucksack die treppe hinuntergeeilt kommt - süß. d. hat wirklich etwas von einem seelensplitterziehenden kleinen gnomhexenmeister, erzählt über tollkien und schottland, köpft geübt sein frühstücksei und vollbringt das kunststück, die situation ganz normal wirken zu lassen.

drei stunden später (ui, das waren ein kaffee und 6 zigaretten zu viel, vielleicht hätte ich ja doch richtig frühstücken und mich nicht damenhaft mit einem croissant im hintergrund halten sollen...) steht die sonne mittäglich hoch und bescheint priesterin, krieger und hexenmeister beim liebevollen abschiedsumarmen, danach entfernen sich klackernde absätze und fahrradreifengeräusch auf altstadtpflaster in diametrale richtungen.
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